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6. Juni 2022

Ist der Mond weiblich und die Sonne männlich? Begriffe, Sprache und Menschen

Wie kann die Sprache unsere Denkweise prägen? Denken wir auf eine bestimmte Art und Weise, weil die Sprache uns dazu verleitet? Anders gesagt: Beeinflusst unser "wie wir sprechen" unser "wie wir denken"? Auf der ganzen Welt werden unzählige Sprachen gesprochen, die sich in der Aussprache und Struktur, im Klang und Wortschatz unterscheiden. Es bleibt dennoch immer faszinierend zu beobachten, wie eine Sprache unser Denken sowie Verständnis der Welt, unserer Mitmenschen und uns selbst prägen kann ...

Ist der Mond weiblich und die Sonne männlich? Begriffe, Sprache und Menschen

Wie kann Sprache unsere Denkweise prägen? Denken wir auf eine bestimmte Art und Weise, weil die Sprache uns dazu verleitet? Anders gesagt: Beeinflusst unser "wie wir sprechen" unser "wie wir denken"?

Auf der ganzen Welt werden unzählige Sprachen gesprochen, die sich in der Aussprache und Struktur, im Klang und Wortschatz unterscheiden. Es bleibt dennoch immer faszinierend zu beobachten, wie eine Sprache unser Denken sowie Verständnis der Welt, unserer Mitmenschen und uns selbst prägen kann.


Dieser Blogpost hat absolut keinen Anspruch, eine Abhandlung aus dem Bereich der Kognitionswissenschaft zu werden: Ja, die Kognitionswissenschaft ist in der Tat der wissenschaftliche Bereich, der sich u.a. ‒ jedoch nicht nur! ‒ damit beschäftigt, die Sprachfähigkeit der Menschen zu erforschen: Wie kommt es, dass Menschen in der Regel dazu fähig sind, eine oder mehrere Sprachen zu lernen? Wie erwerben Menschen eine Sprache? Kann die Sprache zu einem bestimmten Verhaltensmuster bei uns Menschen führen?

Unser kognitives Universum, wie wir die Welt, Menschen und uns selbst wahrnehmen, lernen, kennenlernen, erkennen und erleben: Ist all dies bedingt durch den Spracherwerb und Gebrauch der Sprache? Dass zwar Begriffe, die sich im Deutschen und Italienischen ähnlich anhören wie etwa "Familie" und "famiglia", jedoch in der Tat viel Unterschiedliches verbergen, wurde bereits in diesem Blogpost → hier erörtert.
Auf ersten Anhieb hört sich der italienische Begriff "famiglia" harmlos an: Man kann ganz leicht erraten, dass "famiglia" wohl dem deutschen Begriff "Familie" entsprechen und gleichermaßen dasselbe im Italienischen bedeuten wird.
Dass Italiener für die Verköstigung der ganzen "famiglia" mit Essen den Einsatz einer großen Feldküche brauchen, können Sie → hier nachlesen. Das heißt, Gleich- oder Ähnlichklingendes (Familie / famiglia) ist in Zahlenwerten ausgedrückt nicht gleich gemeint:
Familie: von 3 bis max. 4 Menschen (ohne Gewähr ‒ nicht wissenschaftlich bewiesen).
famiglia: von 3 bis max. 10 Menschen ‒ auch bis 12 Menschen in Süditalien (ohne Gewähr - nicht wissenschaftlich bewiesen).

Als Übersetzer*in sowie Kenner*in der beiden Kulturwelten (Deutschland / Italien) muss man/frau den "feinen Unterschied" kennen und ihn dementsprechend in seiner/ihrer Arbeit, sprich beim Übersetzen umsetzen können.
Bleiben wir bei dem sehr klassischen Beispiel "Sonne / sole" und "Mond / luna" im Deutschen und Italienischen. Sprachen haben Geschlechter. Das Italienische kennt nur das weibliche (
femminile) und männliche Geschlecht (maschile). Das Deutsche ist ein wenig innovativer und hat dafür gleich 3 Geschlechter: das männliche, weibliche und sächliche Geschlecht. Außerdem kann ein Wort in der einen Sprache ein anderes Geschlecht haben als in der anderen. Genau das ist der Fall bei "Sonne / sole" und "Mond / luna":
"Die Sonne" (weiblich) ist ≠ "il sole" (männlich).
"Der Mond" (männlich) ist ≠ "la luna" (weiblich).


Die im Italienischen weibliche "luna" 🌙 verkörpert für einen Italiener die Weiblichkeit schlechthin. Es ist einfach ganz schwer für einen Italiener, sich mit dem deutschen männlichen "Mond" anzufreunden.
Vielleicht kennen Sie den Sonnengesang von Franz von Assisi "
Bruder Sonne, Schwester Mond": Im italienischen Original lautet der Sonnengesang "Fratello sole, sorella luna". Der männliche "sole" wird von Franz von Assisi als "fratello" ("Bruder") und die weibliche "luna" als "sorella" ("Schwester") bezeichnet und gelobt. Dahinter verbirgt sich die grammatikalische Logik vom italienischen Geschlecht der Begriffe "sole" (männlich = Bruder) und "luna" (weiblich = Schwester).


Die Ausdrücke "Bruder Sonne" und "Schwester Mond" hören sich für deutsche Ohren befremdlich an: Sollte ein*e gute*r Übersetzer*in die Bezeichnungen "Bruder" und "Schwester" etwa lokalisieren und daraus "Schwester Sonne, Bruder Mond" machen? Assoziieren Deutschsprachige mit dem Mond 🌙 eine männliche ♂️ und mit der Sonne ☀️ eine weibliche ♀️ Komponente? Mit dieser unbeantworteten Frage müssen wir uns geschlagen geben. Tatsache ist, eine wortwörtliche und analog zu der Ausgangssprache geschlechtsgenaue Übersetzung wurde bevorzugt, sodass Bücher und Filme mit dem Titel "Bruder Sonne, Schwester Mond" zu erwerben sind. Es lebe die falsche Lokalisierung 😉

Eine amerikanische Kognitionswissenschaftlerin sagt bezüglich der sprachlichen Vielfalt:

>>Das Schöne an der sprachlichen Vielfalt ist, dass sie uns zeigt, wie einfallsreich und flexibel der menschliche Geist ist.<<

Der menschliche Geist schöpft die Sprache. Die Sprache prägt und formt wiederum den menschlichen Geist. Die Sprache erfindet und erklärt die Realität, genauso wie sich die Realität in der Sprache widerspiegelt:
Du bist, was Du sagt.
Du sagst, was Du bist.
Du denkst vielseitiger, wenn Du mehrere Sprachen sprichst.

Bei dieser stetigen Wechselwirkung zwischen Sprache ⇄ Denkweise jonglieren Übersetzerinnen und Übersetzer mit Wörtern und Begriffen, Gedanken und Bedeutungen, die sich nicht immer leicht und sofort erschließen lassen. Übersetzerinnen und Übersetzer lesen nicht nur "zwischen den Zeilen", sondern auch "hinter den Begriffen", die zunächst nur in den Köpfen der Menschen existieren und durch die Sprache "ihren Gang in die Außenwelt finden".
Wir denken, also wir sprechen. Wir sprechen, also wir erschaffen Dinge in der Außenwelt. Wir sprechen in einer bestimmten Art und Weise, also wir denken in einer bestimmten Art und Weise.

Abstrakte Begriffe wie "Liebe", "Solidarität" oder noch "Freiheit" existieren zwar nur in unserem Kopf und können mit unseren Händen nicht angefasst werden, jedoch gibt es diese wirklich ‒ sie sind real und davon braucht unsere Welt auch eine ganze Menge. Faszinierend und spannend bleibt die Frage, wie jeder Mensch, der "seine eigene Sprache" spricht und seinen ganz persönlichen "Hauptschlüssel" zur Interpretation und Wahrnehmung der Außenwelt besitzt, solche abstrakte Begriffe wahrnimmt, beschreibt und auslebt.

Der Begriff von "Freiheit" im Sinne von "Waffenfreiheit" im folgenden Satz >>US-Waffengesetze: Wo
Freiheit bedeutet, eine Waffe tragen zu dürfen<< ist nicht gleichzusetzen mit dem Verständnis von "Freiheit", das ein Sklave im Zusammenhang mit der Sklaverei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte. Jeder Begriff erfordert den richtigen Zusammenhang in zeitlicher Hinsicht. Anders gesagt: Was ich jetzt sage, war früher u.U. anders gemeint, beleidigend, (noch) nicht so bekannt, anders aussehend oder kennzeichnend für völlig etwas Anderes. Kurzum: Die Menschen als Sklaven im 19. Jahrhundert haben sich unter dem Begriff "Freiheit" ganz etwas Anderes als wir in unserem Jahrhundert vorgestellt.

Hierfür ist der umgangssprachliche, italienische Begriff "
casino" ein ganz passendes Beispiel für Begriffe im Zeitwandel. "casino" heißt heutzutage soviel wie "Durcheinander", "Theater", "Chaos", "Zirkus", "Lärm" u.v.m. In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts hieß jedoch "casino" in Italien nichts Anderes als "Bordell", "Freudenhaus" und war ein vulgärer und unaussprechlicher Begriff für die "anständigen Sprecher*innen" jener Zeit.

Begriffe sind wie Mode: ihre "Hülle" ändert sich, um in zwanzig oder dreißig Jahren später wieder trendig oder beliebt zu sein, sieht aber doch ein wenig anders aus. Und mit der "Hülle" verändert sich gleich auch der "Inhalt" manchmal. Es kann dabei zu einer Bedeutungsverschiebung ("casino" im Sinne von "Bordell" → "casino" im Sinne von "Chaos") kommen. Die Sprache kann sich dem stetigen Zeitwandel einfach nicht entziehen. Begriffe und somit die Sprache überdauern die Zeit nicht unbeschadet: Sie ändern sich mit ihr. Manche Sprachen mitsamt Begriffen sterben aus. In dem Fall spricht man/frau von "
toten Sprachen" wie etwa Latein oder Altgriechisch.

Italienisch und Deutsch sind zum Glück noch "lebende Sprachen", die vom Aussterben noch nicht bedroht sind.
it-sprachvermittler.de ‒ Ihr Italienisch-Übersetzer des "Vertrauens" in München ‒ kann mit beiden lebenden Sprachen souverän umgehen 😉
Egal, ob Sie z.B. die beglaubigte
Übersetzung Ihres Ehefähigkeitszeugnisses oder Ihrer Approbationsurkunde benötigen: Als öffentlich bestellter und allgemein beeidigter Übersetzer für die italienische Sprache am Landgericht München I kann it-sprachvermittler.de oder [traduttore giurato.de] eine amtlich anerkannte Übersetzung aus dem Deutschen ins Italienische oder aus dem Italienischen ins Deutsche für Sie anfertigen.