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7. Oktober 2020

Einen kühlen Kopf in Zeiten des Corona-Virus bewahren - Ein Brief aus Mailand

Was macht der italienische Schulleiter eines aufgrund des Corona-Virus geschlossenen Mailänder Gymnasiums? Er beschließt, an seine Gymnasialschülerinnen und -schüler einen Brief zu schreiben. it-sprachvermittler.de übersetzt diesen Brief gegen „die Vergiftung des sozialen Lebens, der menschlichen Beziehungen, die Barbarisierung des zivilen Miteinanderlebens“ ...

Einen kühlen Kopf in Zeiten des Corona-Virus bewahren - Ein Brief aus Mailand

Was macht it-sprachvermittler.de | beglaubigte Übersetzungen | Deutsch Italienisch Deutsch für Privatpersonen, während das Corona-Virus in Italien und zum Teil auch in Deutschland grassiert? Selbstverständlich übersetzen. Was sonst? 🤓

Handlungsorientiertes Übersetzen als Selbstheilung, um in die Normalität zurückzukehren, damit diese wieder in den Vordergrund und die aufgrund der neuartigen, modernen „Seuche“ allgemein vorherrschende Hysterie in den Hintergrund rückt oder sogar ganz schwindet.


Schulen in Italien sind geschlossen und mittlerweile zum Teil auch in Deutschland.


Was macht der italienische Schulleiter eines aufgrund des Corona-Virus geschlossenen Mailänder Gymnasiums? Er beschließt, an seine Gymnasialschülerinnen und -schüler einen Brief zu schreiben, der auf der Webseite des Alessandro-Volta-Gymnasiums am 25.02.20 veröffentlicht wird
(siehe Quelle → hier) und in den italienischen Medien die Runde machte.

it-sprachvermittler.de | beglaubigte Übersetzungen | Deutsch – Italienisch – Deutsch für Privatpersonen | übersetzt den Brief vom Mailänder Schulleiter vom Italienischen ins Deutsche im Kampf gegen „die Vergiftung des sozialen Lebens, der menschlichen Beziehungen, die Barbarisierung des zivilen Miteinanderlebens.

>>Brief vom 25. Februar 2020 an die Schülerinnen und Schüler

AN DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER DES ALESSANDRO-VOLTA-GYMNASIUMS (Mailand – Italien)

Die Seuche, die das Gesundheitsgericht befürchtet hatte, mit den alemannischen Truppen in das Mailänder Gebiet einzudringen, war bekanntlich dort wirklich eingedrungen; und es ist ebenfalls bekannt, dass sie hier nicht Halt machte, sondern in einen guten Teil Italiens eindrang und ganze Landstriche entvölkerte ...


Das soeben erwähnte
Zitat stammt aus dem Kapitel 31 des italienischen Romans „Der Brautleute“ („I promessi sposi“) von Alessandro Manzoni: Ein Kapitel, das zusammen mit dem folgenden Kapitel ganz der Pestepidemie gewidmet ist, die 1630 in Mailand wütete. Es ist ein aufschlussreicher Text von außerordentlicher Modernität – ich schlage Euch vor, dass ihr ihn sorgfältig lest, besonders in diesen Tagen der allgemeinen Verwirrung. In diesen Seiten ist bereits alles enthalten: die Gewissheit der Gefahr durch Ausländer, der harte Kampf zwischen den Behörden, die krampfhafte Suche nach dem so genannten Patienten 0, die Verachtung der Fachleute, die Jagd nach den „Streuern“ (Spreaders), die unkontrollierten Stimmen, die absurdesten Heilmittel, die Plünderungen, der Gesundheitsnotstand ... Auf diesen Seiten werdet ihr unter anderem auf Namen stoßen, die ihr sicher aus den Straßen rund um unser Gymnasium kennt: wir sollten nicht vergessen, dass unser Gymnasium mitten im ehemaligen „Mailänder Seuchenkrankenhaus“ („lazzaretto di Milano“) gebaut wurde: Ludovico Settala, Alessandro Tadino, Felice Casati, um nur einige Straßennamen zu nennen. Kurz gesagt, mehr als aus Manzonis Roman scheinen diese Worte aus den Seiten einer Zeitung von heute zu stammen.

Liebe Schülerinnen und Schüler, es gibt nichts Neues unter der Sonne, alles ist schon dagewesen, würde ich zwar sagen, jedoch verlangt die Schließung unserer Schule, dass ich mich zu Wort melde. Unsere Schule gehört zu den Institutionen, die mit ihren festgelegten Ritualen den Zeitablauf sowie die geordnete Entfaltung des friedlichen Zusammenlebens prägen. Es ist kein Zufall, dass die Zwangsschließung von den italienischen Schulen ein Mittel ist, auf das die Behörden in seltenen und wirklich außergewöhnlichen Fällen zurückgreifen. Es ist nicht meine Aufgabe, die Angemessenheit der Maßnahme zu beurteilen, ich bin kein Experte und gebe auch nicht vor, einer zu sein. Ich respektiere und vertraue den italienischen Behörden und halte mich genauestens an ihre Anweisungen. Ich möchte Euch dennoch was sagen: bitte einen kühlen Kopf bewahren, sich nicht von der kollektiven Psychose mitreißen lassen, damit wir mit den nötigen Vorsichtsmaßnahmen weiterhin ein normales Leben führen zu können. Profitiert von diesen schulfreien Tagen, um einen Spaziergang zu machen, ein gutes Buch zu lesen: es gibt keinen Grund zuhause eingesperrt zu bleiben, wenn ihr gesund seid.

Es gibt keinen Grund, die Supermärkte und Apotheken zu stürmen: Atemschutzmasken sollten kranken Menschen vorbehalten sein, und nur diesen. Die Geschwindigkeit, mit der sich eine Krankheit von einem Ende der Welt zum anderen verbreiten kann, ist ein Produkt unserer Zeit: es gibt keine Mauern, die Seuchen aufhalten können. Vor Jahrhunderten verbreiteten sie sich ohnehin schon, nur ein wenig langsamer. Wie Manzoni und vielleicht noch mehr Boccaccio uns lehren, ist eine der größten Gefahren bei solchen Ereignissen die Vergiftung des sozialen Lebens, der menschlichen Beziehungen, die Barbarisierung des zivilen Miteinanderlebens. Wenn wir uns von einem unsichtbaren Feind bedroht fühlen, verlangt unser Urinstinkt, diesen unsichtbaren Feind überall zu sehen. Es besteht die Gefahr, alle unsere Mitmenschen als eine Bedrohung, als einen potentiellen „Angreifer“ anzusehen. Im Vergleich zu den Seuchen aus dem 14. und 17. Jahrhundert haben wir die moderne Medizin mit ihrem Fortschritt und ihren Gewissheiten auf unserer Seite. Wir sollten von unserem rationalen Denken Gebrauch machen, dessen direkter „Verwandter“ unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, unsere Menschlichkeit ist – diese ist nämlich das wertvollste Gut, das wir besitzen und bewahren sollten. Wenn wir das nicht schaffen, wird die Seuche wirklich siegen.
Ich erwarte Euch bald in der Schule.
Domenico Squillace<<
- Ende der Übersetzung -

Der Mailänder Schulleiter des Alessandro-Volta-Gymnasiums, Domenico Squillace (Bildquelle: hier)



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